Kirchenführer
Wünschen Sie während der Woche eine Besichtigung der Pfarrkirche, wenden Sie sich einfach an die Mesnerin Anni Resselberger, Alte-Burg-Straße 7 in Reistingen (09076 2076) oder Michaela Steck, Alte-Burg-Straße 15 in Reistingen (09076 958403).
Ehem. Damenstiftskirche St. Peter, jetzt Kath. Pfarrkirche St. Vitus
Wallfahrt zu St. Veit seit 1760
Lage und Name des Ortes
Reistingen, an den Ausläufern der Schwäbischen Alb gelegen, hat eine alte Besiedelungsgeschichte. Die ältesten Spuren stammen aus der Mittel- und Jungsteinzeit; auch aus der Urnenfelder- und der Keltenzeit sind Siedlungsreste nachgewiesen. Das Dorf Reistingen dürfte eine alemannische Gründung sein und seinen Namen von dem Personennamen „Risto" herleiten.
In frühester Zeit war Reistingen Besitz der Grafen von Dillingen, später von deren Erben, der Herren von Gundelfingen und Faimingen und, durch Heirat, der Herren von Hirnheim auf Burg Katzenstein.
Das Damenstift Reistingen
Urkundlich wird der Ort erstmals 1164 genannt, als Adilbert II., ein Sohn des Grafen von Kyburg-Dillingen, hier ein benediktinisches Nonnenkloster stiftete. Dieses wurde kurze Zeit später in ein weltliches Damenstift umgewandelt, über das die Klosterstifter sich das Schutzvogteirecht vorbehielten. 1259 kam die Schutzvogtei durch Tausch an den bischöflichen Stuhl von Augsburg, 1270 an Rudolf von Hürnheim, genannt von Katzenstein. Die Äbtissinnen des Damenstifts versuchten, ihren Besitz um Reistingen zu arrondieren, erhielten Grundbesitzschenkungen und 1331 vom Bischof von Augsburg zu dem bereits innehabenden Patronatsrecht die Pfarrei und die Pfarrkirche mit allen Nutzen, Einkünften und gelegentlichen Einkommen.
Link mit weiteren Informationen zum ehemaligen Kloster in Reistingen
Um diese Zeit ist als Pfarrherr Heinrich von Nortemberch, „Chorherr zu Augsburg und Kirchherr zu Rystingen'' genannt. Zwischen 1343 und 1559 kam es immer wieder zu Grundstücksverkäufen des Klosters, in dem damals neben der Äbtissin sechs Fräulein als Stiftsdamen lebten, deren Einkünfte wohl sehr spärlich waren. Am 11. November 1359 sah sich der Bischof von Augsburg gezwungen, der Äbtissin zu befehlen „kein Gut dem Kloster zu entfremden". Die wirtschaftlichen und klösterlichen Verhältnisse scheinen jedoch zu weiteren Verkäufen gezwungen zu haben. 1434 zählte sich nur eine Kanonissin, die jedoch nicht mehr im Ort lebte, zum Damenstift Reistingen. Um der Verschleuderung und Verpfändung des noch vorhandenen Klostergutes Einhalt zu gebieten, stellte der Augsburger Bischof Petrus von Schauenberg den Antrag, Reistingen möge eingezogen und der bischöflichen Mensa einverleibt werden. Der Bischof versicherte, dass aus diesem Einkommen einige Schüler, welche an der Universität die Theologie und die Kanonischen Rechte studieren, unterhalten würden. Der Plan des Bischofs fand keine Zustimmung; die Kirche wollte den Fortbestand des Damenstiftes sichern. Nach weiteren Grundstücksverkäufen kam es 1450 doch zur Auflösung des Stiftes und zur Überführung des noch vorhandenen Besitzes an die bischöfliche Mensa. Bis 1803 blieb Reistingen im Besitz des Hochstiftes Augsburg und wurde von Vögten verwaltet.
Die Kirche zum Hl. Vitus
Die jetzige Kirche - ehemals eine kleine dreischiffige Basilika mit Holzdecken und Ausmalungen an den Wänden - dürfte wohl schon um 1050 erbaut worden sein. Davon sind der quadratische Chor mit halb-runder Apsis und einem schmalen rundbogigen Ostfenster und die vier Pfeiler der Nordwand (einst Mittelschiffwand), alles aus sorgfältig behauenen Quadersteinen gemauert, noch vorhanden. Außen gliedern die halbrunde Chorapsis fünf Rundbogenblenden. Die einmal abgestuften Bögen über Lisenen mit vorgesetzten Halbsäulen tragen Würfelkapitelle und stehen auf Würfelbasen. Ein profiliertes Trautgesims aus Viertelstab, Kehle, Viertelstab und Platte umgibt die ganze Apsis, die von einem Mönch-Nonnen-Kegeldach abgeschlossen ist. Nach Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche 1682 wieder instandgesetzt, damals die Seitenschiffe abgebrochen und die Arkaden zu Außenwänden geschlossen. In der Barockzeit erfolgte eine Vergrößerung der Fenster. Der große Brand in Reistingen 1737, dem 23 Gebäude zum Opfer fielen, verschonte die Kirche. Bei einer tiefgreifenden Umgestaltung des Innenraumes erhielt sie eine Stuckdecke mit einem Deckenfresko.
Für das Langhaus erwarb die Gemeinde 14 Kreuzwegstationen. 1796 plünderten französische Soldaten Dorf und Kirche und raubten die kirchlichen Geräte. 1833 wurde der barocke Altar abgetragen, 1841 musste der baufällige Turm auf Kanzelhöhe abgebrochen werden. Es war nach einem Plan von 1770 ein starker Turm mit Kreuzgewölben und einer Treppe in der Mauerstärke zum ersten Obergeschoss. 1842/43 war aus statischen Gründen die Verschleuderung des Chores notwendig, 1846 wurde ein neuer Turm auf der Westseite gebaut, die Stuckdecke mit den Fresken entfernt, 1858 ein neues Deckengemälde angebracht. Einige Jahre später erfuhr die Einrichtung eine Neugestaltung. Weitere Veränderungen im Innenraum nahm man zwischen 1903 und 1908 vor und erbaute eine neue Sakristei auf der Südseite. Eine stilvolle Renovierung erfuhr die Kirche von 1952 bis 1956. Professor Franz Nagel aus München malte die Apostelfresken in der Chorapsis. 1959 und 1989 - 1991 erfolgten Außenrenovierungen.
Die Verehrung des Hl. Vitus
Im Jahre 1760 schenkte der Pfarrer von Donaualtheim, Dekan des Landkapitels Dillingen, der Pfarrei Reistingen eine Reliquie ihres Mitkirchenpatrons St.Vitus und seiner Erzieher Modestus und Creszentia. Dafür ließ sie ein silbernes Reliquiar in Form einer kleinen Monstranz herstellen, das am 27. Mai 1760 im Beisein von 15 Geistlichen erstmals feierlich verehrt wurde. Der damalige Ortspfarrer Thomas Rueff hatte zu diesem Anlass ein Viruslied und eine Litanei zum Kirchenpatron verfasst. (Bis dahin wurde mit dem Hl.Vitus der Hl. Petrus als Patron verehrt) Das gläubige Volk nahm an diesem Fest der Reliquienübertragung mit feierlichem Gottesdienst und einer farbenprächtigen, ideenreichen Prozession begeistert teil. Bei der Renovierung der Kirche 1764 beauftragte Pfarrer Rueff den Lauinger Maler Johann Anwander, im Hauptgemälde im Kirchenschiff St. Vitus als Schutzpatron der Gemeinde darzustellen. Die Malereien in den vier Eckkartuschen zeigten das Martyrium des Heiligen. Diese Gemälde wurden bei der Renovierung 1846 abgeschlagen, als eine Erneuerung im Stil der Zeit erfolgte.
1796 raubten durchziehende französische Soldaten das Reliquiar. 1833 überließ der Pfarrer von Donaualtheim der Kirche zu Reistingen erneut einen Partikel des Hl. Vitus, für den 1 838 ein einfacheres Ostensorium beschafft wurde. Es handelte sich um ein kupfervergoldetes Behältnis, das, als Sonne gestaltet, auf einem runden, profilierten, mit aufgelegtem Blattwerk und bunten Steinen geschmückten Fuß steht. Diese Reliquie, eine Vitus-Statue aus dem frühen 18. Jahrhundert und die Feier des Patroziniums erinnern heute noch an den Hl. Vitus, den Patron von Reistingen.
Im Dillinger Museum erinnert eine Schautafel an die Wallfahrt zu St.Veit in Reistingen 1760 bis zur Gegenwart.
Die heutige Ausstattung:
Fresken:
von Prof. Franz Nagel aus München 1952 - 1956 im Chorraum. Romanische Außenmalerei am Chorfenster.
Gemälde:
Vierzehn Nothelfer, 1690/1700, Kreuzweg 1764, St.Wendelin 1835, St. Leonhard, 2. Hälfte 18. Jh. Hl. Helena und Konstantin, um 1780
Klosterarbeiten:
2 Klosterarbeiten von 1722
Holzfiguren:
Kruzifix von Christoph Rodt 1625
St. Konstantin und Helena von B. Libigo 1680/90
St. Antonius und St. Sebastian um 1720
St.Wendelin um 1780
Auferstehungschristus, 1. Hälfte 18. Jh.
St.Veit als König auf Prozessionsstange, Mitte 18. Jh.
2 Vortragskreuze, 2. Hälfte 18. Jh.
Muttergottes, um 1820,
Muttergottes, von 1954
Taufstein:
von Thaddäus Mayr, Wittislingen, um 1830
Grabsteine:
Wolf Andreas von Ertel, Hauptmann, + 2.9.1654 mit Wappen
Michael Anton Böck, + 14.7.1802
Georg Paulle, Bauer und Heiligenpfleger, + 27.10.1738, mit origineller Inschrift auf der Rückseite.
Glocke:
am Emporenaufgang, von 1683, gegossen in Reistingen
Friedhof:
Schmiedeeiserne Grabkreuze, 18. Jh.
Friedhofskreuz uni 1800
Ölbergfiguren, bez. MS 1849
Texte und Zeichnungen stammen aus dem Kirchenführer der Pfarrei St. Vitus Reistingen. Dieser ist im Original in der Kirche für einen Euro erhältlich.
Quellen: Meyer, W., Kunstdenkmäler des Landkreises Dillingen 1973,
Rummel, P., Die Verehrung des Hl. Vitus in Reistingen, 1967,
Springer, M., 1992